Warum Wertebasierte Entscheidungen wichtig sind

von Elisabeth Kraus

Nach den Einschränkungen der letzten beiden Jahre beobachte ich heute wieder verstärkt, dass viele Menschen von einem Termin zum nächsten hetzen und Eltern durch vielfältige Angebote ihren Kindern vermitteln, dass Freude und Erfüllung im Externen zu suchen sind. Besonders in der Vorweihnachtszeit begegnet man unzähligen Menschen auf Advents- und Weihnachtsmärkten oder in Kaufläden auf der Suche nach passenden Weihnachtsgeschenken. Von der Entschleunigung der letzten Jahre ist kaum noch etwas zu spüren. 

Aber sind es wirklich die Events und der Materialismus, mit denen wir unsere Mitmenschen bereichern? 

 Sir Arthur Conan Doyle schreibt in The Memoirs of Sherlock Holmes “It has long been an axiom of mine that the little things are infinitely the most important.” 

(Es ist schon lange einer meiner Grundsätze, dass die kleinsten Dinge bei weitem die wichtigsten sind.)

Kinder freuen sich über den Schmetterling, der auf der Blume sitzt; über die ersten Schneeflocken, die vom Himmel fallen oder die Zeit am Sofa, in denen sie zusammengekuschelt mit ihren Liebsten in Bilderbüchern blättern und Geschichten lauschen. Es sind die Kleinigkeiten, die das Leben bereichern: Das können wir von den Kindern lernen und uns fragen, ob wir sie mit zahlreichen materiellen Gaben wirklich beschenken.

Wir können ihnen allerdings Vorbild sein und ihnen zeigen, dass im großen Spiel des Lebens alles miteinander verbunden ist und alles sich gegenseitig bedingt. Wir ernten, was wir säen, lehrt uns ein universelles Gesetz. Und mit jeder Entscheidung, die wir treffen, legen wir ein Samenkorn, das gedeiht und Ertrag bringt – ob bewusst oder unbewusst. Unsere Werte sind die Grundlage dafür, was wir ernten können: Artenvielfalt oder Monokulturen, Verantwortung oder Ausbeutung, Scheinheiligkeit oder gelebte Nächstenliebe, Bildung oder Fremdbestimmung, Freiheit oder Einengung, Liebe oder Angst. 


Ein Indianerjunge bat einst seinen Vater, ihm ein Schiff zu schenken. Der Vater schenkte ihm eine Säge, Werkzeug und einen Baumstamm. Er sprach zu seinem Sohn: "Da ist es drin, du mußt es nur herausholen. Ich werde dir dabei helfen."  
(Unbekannt)

Fragen, die Dir eine Entscheidung 
erleichtern können: 

  • Wen fördere ich mit meinem Investment?
  • Was fördert das Investment beim Beschenkten?
  • Welchen Zweck soll das Geschenk erfüllen?
  • Wie lange hält die Freude des Beschenkten an?
  • Lohnt sich dafür der Aufwand? 
  • Ist es so gesehen ein gutes Investment?

Wertebasierte Entscheidungen erfordern Wissen und Verantwortung

Wer glaubt, dass seine Entscheidungen nur ihn selbst etwas angehen, der irrt gewaltig. Nehmen wir als Beispiel eines unserer Grundnahrungsmittel: Die Kartoffel. 

Im konventionellen Anbau werden Kartoffeln bis zu 11-mal gespritzt: Kraut- und Knollenfäule, Schädlingsbekämpfung und die Keimhemmung sind Gründe dafür. Landwirte, die Kartoffeln nach ökologischen Grundsätzen produzieren, sind in dieser Hinsicht deutlich eingeschränkter. Allerdings spiegeln sich in der Art der Produktion ihre Werte wider: Der Bio-Anbau erfordert umfangreiches Wissen, Krankheiten und Schädlingsbefall vorzubeugen, diesen rechtzeitig zu erkennen und entsprechende umweltverträgliche Maßnahmen zu ergreifen. So beginnt die Produktion schon mit der richtigen Sortenauswahl, der Einhaltung von Fruchtfolgen, der Förderung der Bodenfruchtbarkeit, dem richtigen Zeitmanagement und Optimierung der Lagerbedingungen. Damit wird die Artenvielfalt gefördert, die Böden weniger ausgelaugt, Grundwasser weniger belastet und der Geschmack der Kartoffel intensiviert. Gleichzeitig können Verbraucher davon ausgehen, weitgehend unbelastete Lebensmittel zu verzehren, während bei konventionellen Kartoffeln beispielsweise der Keimhemmer Maleinsäurehydrazid auch in den Knollen zu finden ist und damit auf dem Tellern landet. 

Werte und innere Haltung zeigen sich im Außen und beeinflussen die Zukunft
Die Auswirkungen unseres unachtsamen Denkens und Handelns der letzten Jahrzehnte bekommen wir heute deutlich zu spüren. Hitzeperioden, Trockenheit und Waldbrände, unwetterartige Regenfälle und Überschwemmungen, Stürme, verseuchte Gewässer und Böden, Artensterben, Krieg oder menschenunwürdige Arbeitsbedingungen sind Sinnbild für eine egoistische Haltung, die auf Gewinnmaximierung und Ausbeutung ausgelegt ist. Und unsere Kaufentscheidung ist der Samen für die kommenden Ernten. Denn die Nachfrage bestimmt nach wie vor, was und unter welchen Bedingungen produziert wird. 

Unsere Werte sorgen dafür, darüber nachzudenken, was die Folgen meiner Entscheidung sind und Mitmenschen sowie die Natur im Blick zu behalten. 

  • Wie werden Produkte produziert? 
  • Wo kommen die Rohstoffe her und unter welchen Bedingungen werden sie gewonnen? 
  • Welchen Weg legt das Produkt zurück, damit ich es überhaupt erwerben kann? 
  • Kann ich es wiederverwenden, wenn ich es nicht mehr brauche und wie kann es entsorgt werden? 
  • Brauche ich es wirklich oder bringt der Kauf nur kurzfristige Befriedigung? 
  • Was ist der eigentliche Preis, wenn ich mich für einen Kauf entscheide?
  •  Was vermittle ich damit meinen Kindern? Erkläre ich ihnen, warum ich mich für oder gegen ein Produkt entscheide? 

Schlussendlich helfen Werte mir enorm dabei, mich für oder gegen etwas einzusetzen. Das setzt aber voraus, dass ich mich informiere und mich mit meinen Entscheidungen bewusst für eine Welt einsetze, die sicherer und schöner Lebensraum auch für nachkommende Generationen sein kann. Werte und Wissen spielen Hand in Hand – das zeigt uns auch das Beispiel des Bio-Kartoffelanbaus. 

Damit unsere Welt zukunftstauglich bleibt und nicht die nächsten Generationen für unsere Fehlentscheidungen einstehen muss, ist es JETZT an der Zeit, sich seiner eigenen Werte bewusst zu werden, sie für sich zu definieren und sie zu leben. Denn: 

Werte kann man nicht lehren, sondern nur vorleben.

Viktor Frankl (1905–1997)

Frankl verlor seine Eltern, seinen Bruder sowie seine Ehefrau im KZ, er selbst überlebte die Folter und schreibt in vielen seiner Bücher über den Sinn des Lebens. Werte geben unserem Leben einen Sinn, denn sie prägen unser Verhalten, unsere Entscheidungen und geben uns Ordnung. Jedoch hat uns das geld- und machtorientierte System zu einem Wertevakuum geführt. Zunehmens beobachte ich, wie Menschen sich von den zahlreichen Angeboten ablenken lassen, weitgehend unreflektiert konsumieren und nachlässig mit sich, ihrer Gesundheit und der Umwelt umgehen. 

Wenn wir uns für unsere Kinder eine lebenswerte Zukunft wünschen, dann sollten wir uns jetzt entscheiden, welches Vorbild wir ihnen sein wollen: Wir prägen sie in den ersten Lebensjahren durch unser Verhalten, die unsere Werte deutlich offenbaren. Die Antwort bekommen wir durch das Verhalten der Kinder, die uns und unsere innere Haltung allzu oft widerspiegeln. 

Nutzen wir die Vorweihnachtszeit als Zeit der Besinnung auf unsere Werte. Üben wir Tag für Tag, bewusste Entscheidungen zu treffen und so unsere Werte durch unser Verhalten und unsere Entscheidungen unseren Mitmenschen vorzuleben. Vielleicht ist es dieses Jahr kein materielles Geschenk, das wir mitbringen; sondern Zeit und ein offenes Ohr für den anderen. Oder ein Lächeln und ein wertschätzendes Wort. Oder eine stille Umarmung. 

Es beginnt mit kleinen Entscheidungen, die Großes bewirken können.